Epistula Corvi XXXV
Liebe Leserinnen und Leser,
ein Dauerthema, das immer wieder aufkommt, sind Genres in Literatur und Film. Was unterscheidet einen Krimi von einem Thriller, wo verläuft die Grenze zwischen Fantasy und Science-Fiction? Literaturwissenschaftler reden darüber, Kritiker und Blogger, auch Autoren wie George R. R. Martin haben die Welt an ihrer Einschätzung teilhaben lassen. Wirklich Greifbares ist dabei nicht herausgekommen, man bleibt sich uneinig, der Genrebegriff ist nebulös. Was dem einen seine Science-Fiction ist, ist dem anderen seine Fantasy, und ob die Dystopie inzwischen ein eigenes Genre ist – auch darüber lässt sich trefflich, aber ergebnislos streiten. Der Blick in den internationalen Bereich verwirrt noch mehr, meint man doch im angloamerikanischen Raum mit Science-Fiction eher das, was hier zu Lande fantastische Literatur heißt: den Oberbegriff, unter den sich beispielsweise die Fantasy als Subgenre einordnet. Deswegen gewinnen immer wieder Fantasywerke den HUGO, der als weltweit wichtigster Science-Fiction-Preis gilt.
Also alles egal?
O nein. Denn Genres sind wichtig. Sie bieten Orientierung, unmittelbar für den Buchhandel und damit mittelbar auch für die Leserschaft. Jemand, der gern von Robotern und Raumschiffen liest, wird sich im Science-Fiction-Regal umschauen. Wer gern langhaarigen und spitzohrigen Naturburschen beim Bogenschießen zuschaut, sucht in der Fantasy-Ecke.
Deswegen ist meine Näherung für die Genredefinition ein Zirkelschluss: Fantasy ist das, was die Mehrheit des Lesepublikums als Fantasy wahrnimmt.
Das ändert sich mit der Zeit. Ganz pragmatisch auch dann, wenn ein Teilbereich eines Genres so erfolgreich ist, dass er den Regalplatz sprengt, den die Buchhandlungen für dieses Genre vorgesehen haben. In meiner Jugend fand man Vampirromane unter Horror. Mit dem Erfolg von Twilight bekamen sie ihr eigenes Regal. Als Romane für dieselbe Zielgruppe diverser wurden, indem andere paranormale Figuren wie Werwölfe und Engel hinzukamen, las man auf dem Schild Romantasy . Das war gut so, denn es führte dazu, dass Leserinnen und Leser die Bücher fanden, die sie interessierten. Und auch, dass diejenigen, die sich nicht für romantiklastige Geschichten erwärmten, davor bewahrt wurden, wenn sie in der Horrorecke suchten.
Etwas schade finde ich lediglich, wenn Genreliteratur gar nicht mehr gekennzeichnet wird. Meine aktuelle Lektüre ist ein Beispiel dafür: Ich lese nach vielen Jahren mal wieder Der Schwarm von Frank Schätzing. Der Grund dafür ist, dass der Roman im Jahr 2005 den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen hat, den wichtigsten Science-Fiction-Literaturpreis im deutschsprachigen Raum. Aber dass es sich um Science-Fiction handelt, steht gar nicht auf dem Buchdeckel. Ebenso wenig wie auf den meisten Ausgaben von Orwells 1984 oder auf vielen Büchern von Andreas Brandhorst oder Andreas Eschbach. Diese Bücher sind große Erfolge. Wenn nun aber jemand nach thematisch ähnlicher Lektüre fahndet, wird er nicht im Science-Fiction-Regal danach suchen; er weiß ja gar nicht, dass er gerade Science-Fiction gelesen hat …
Ich habe meine Überlegungen zu Genres abgeschlossen, indem ich bei Google Trends geschaut habe, wie oft in Deutschland nach PERRY RHODAN gesucht wird. Bislang habe ich auf Basis meiner lückenhaften Einblicke die These vertreten, die Hälfte des deutschsprachigen Science-Fiction-Markts entfiele auf den unsterblichen Weltraumhelden. Was ich herausgefunden habe, hat mich überrascht: Es ist noch mehr als die Hälfte – PERRY RHODAN wird dreimal so häufig gesucht wie der allgemeinere Begriff Science-Fiction (wenn man den Filter auf Deutschland und Literatur setzt).
Basierend auf dem vorigen Gedanken werden sicher viele, die gerade die herausragenden Werke der Science-Fiction mögen, nicht nach Science-Fiction suchen. Aber drei Viertel … das erstaunt dennoch.
Ob das bedeutet, dass sich PERRY RHODAN so gut oder dass sich die Science-Fiction allgemein so schlecht schlägt – diese Interpretation überlasse ich künftigen Untersuchungen.
Was war
Bei meinen Betrachtungen zum Kurd-Laßwitz-Preis sind zwei Buchbesprechungen hinzugekommen:
Imagon – Michael Marraks Hommage an Die Berge des Wahnsinns von H.P. Lovecraft sowie Der Letzte seiner Art – Die Charakterstudie eines Cyborg-Prototypen von Andreas Eschbach:
Als Auskopplung für die Imagon-Besprechung habe ich ein Video über den genreprägenden Schriftsteller H. P. Lovecraft aufgenommen – einen Mann mit wahrhaft verachtenswerten, aber auch bewunderungswürdigen Charakterzügen. Es erfreut sich ungewöhnlicher Beliebtheit auf meinem kleinen YouTube-Kanal:
Kummer hat mir zunächst der Wechsel meines Computers gebracht. Mein altes Ross hatte nach zehn Jahren treuer Dienste seine Schuldigkeit getan. Das neue Gerät hatte aber leider einen tückischen Hardware-Fehler, der sich mit den Tagen aufbaute und zu immer häufigeren Abstürzen führte.
Wie dem auch sei: Nach einem Austausch ist die neue Hardware im Dienst – und macht Spaß. Die Verbesserung zeigt sich vor allem bei der Videobearbeitung, aber auch in vielen anderen Kleinigkeiten.
Was ist
Der Januar bringt direkt drei Veröffentlichungen.
Zunächst startet am 21. Januar die Hörbuchumsetzung der Phileasson-Saga. Das ungekürzte Hörbuch zu Nordwärts erscheint exklusiv als Audible-Download. Sprecher ist Detlef Bierstedt, die Laufzeit beträgt 13 Stunden und 57 Minuten.
Himmelsturm ist für den 25. Februar angekündigt.
In der weltgrößten Science-Fiction-Serie PERRY RHODAN startet mit Band 3100 Sternenruf am 15. Januar ein neuer Zyklus (so etwas wie eine Season in einer Fernsehserie). Dieser Jubiläumsband wurde von Wim Vandemaan und Christian Montillon geschrieben, ich bin nicht beteiligt.
Wohl aber an den beiden Folgebänden 3101 Die Letzten der Lemurer und 3102 Der Eiserne Kontinent, denn dieser Doppelband stammt von mir. Endlich habe ich den niedlichsten Mausbiber des Universums in der Handlung, und es kracht gewaltig, vor allem im zweiten Teil. Es war faszinierend, wieder in dieses Universum einzutauchen und mich dabei mit infanteristischer Kriegsführung unter Beteiligung flugfähiger Kampfanzüge und Kampfrobotern zu beschäftigen.
Sie können mich im Rückblick und trotzdem Realtime dabei begleiten, denn ich habe ein Videotagebuch geführt, das ich in den Veröffentlichungswochen (ab 22. Januar bzw. ab 29. Januar) in mehreren Abschnitten live schalten werde. Zudem habe ich zwei Videointerviews gegeben (okay, beim zweiten war ich eher der Interviewer), die ebenfalls in diesem Zeitraum live gehen werden. Im PERRY-RHODAN-Bereich meiner Homepage kann man sich darüber auf dem Laufenden halten.
Ich schreibe an einem eigenständigen Science-Fiction-Roman namens Sternenbrücke. Er soll kürzer werden als die Solo-Romane, die man sonst von mir kennt, und ich probiere stilistisch einige Dinge aus, insbesondere schnellere Schnitte.
Grundsätzlich finde ich den Anfang eines Romans schwieriger zu schreiben als das Ende. So geht es auch jetzt zunächst einmal gemächlich voran, ich habe die 100 Manuskriptseiten noch nicht lange überschritten. Ich glaube aber, dass es nun flüssiger laufen wird. Die Figuren übernehmen das Erzählen, ich muss mir weniger selbst ausdenken. Dieses Gefühl ist sicher rational zu erklären – aber warum sollte ich das versuchen, solange es für mich gut funktioniert? Die Figuren fühlen sich in meinem Kopf zunehmend real an, und es scheint, dass sie die Geschichte in einer bestimmten Richtung »erleben« wollen. Das ist nicht immer kompatibel zu meinem Szenenplan – aber der zieht dann den Kürzeren. So werden die verbleibenden Dreiviertel des Romans wesentlich mehr auf einem Wasserplaneten mit zahlreichen Inselarchipelen spielen als im Weltraum, obwohl ich es mir bislang anders vorgestellt hatte.
Was wird
Das erste Halbjahr 2021 liegt recht deutlich vor mir.
Sternenbrücke will offensichtlich fertig geschrieben werden.
Ab März geht es wieder mit Kapitän Phileasson auf die Reise. Für den zehnten Band, Nebelinseln, ist mein Anteil an der Rohfassung bereits fertig. Hier gilt es, diesen in der Zusammenarbeit mit Bernhard Hennen zu überarbeiten und als Sparringspartner für Bernhards Textanteile zu agieren.
Damit wird auch die Grundlage für die Haupthandlung von Band XI gelegt (den Prolog habe ich auch hier schon geschrieben). Ich erwarte also, diesen spätestens im Mai angehen zu können.
Fraglich, aber nicht aussichtslos, ist, ob ich auch meinen Anteil an Band XII und damit dem Abschluss der Reihe werde schreiben können. Das hängt davon ab, wie verlässlich ich werde konzipieren können, was wiederum davon abhängt, ob Bernhard direkt nach Band X an Band XI wird weiterarbeiten können. Das ist noch ungewiss, aber angestrebt.
Was die Veröffentlichung angeht, steht bislang lediglich fest, dass Nebelinseln nicht vor September 2021 erscheinen wird. Es ist eine Entscheidung des Verlags, die im Rahmen der Programmplanung vorgenommen wird. Der Einfluss der Corona-Maßnahmen auf diese Planungen ist für jeden offensichtlich.
Ich rechne mit weiteren Hörbuch-Veröffentlichungen. Audible hat sich die Rechte an der kompletten Phileasson-Saga gesichert. Von daher spricht nichts dagegen und viel dafür, die vorliegenden neun Bände mit hoher Schlagzahl zu vertonen.
Es gibt ein locker formuliertes Interesse an der Veröffentlichung eines meiner Romane in einer Übersetzung. Das darf man aber nicht zu hoch hängen. Es kann klappen, wahrscheinlicher ist jedoch, dass es im Sande verläuft.
Grundsätzlich habe ich Lust, weitere Werke, an denen ich die Rechte zurückerhalten habe, als schön gestaltete Ausgaben in der Collection Corvus zu veröffentlichen. Einerseits, weil sie einfach schön sind, und andererseits, weil ich dadurch die zeitlich unbegrenzte Lieferbarkeit sicherstellen kann.
Es will aber wohl überlegt sein, welche Geschichte ich mir dabei vornehme. Die Schattenherren und Die Schwertfeuer-Saga sind als Trilogien schwieriger zu kalkulieren als Einzelromane. Feuer der Leere und Das Imago-Projekt sollten als Science-Fiction-Titel einen anderen Look bekommen als die bisherigen (Fantasy-)Romane, und mit meinen Überlegungen dazu bin ich noch nicht fertig. Schließlich gibt es noch Sanguis B., für den zumindest eine eBook-Ausgabe angebracht wäre. Aber dieser Roman ist mein Erstling; ich rechne damit, dass eine erhebliche Überarbeitung notwendig wäre, um ihn auf ein Niveau zu heben, das meinen heutigen Ansprüchen gerecht wird.
Ob und wann ich weitere Heftromane für PERRY RHODAN werde schreiben können, ist noch unklar. Mein Interesse habe ich bekundet, aber natürlich ist der primäre Faktor die Zuteilung der Heftromane an das Team der Stammautoren.
Meine 2020 angefertigten Exposés und Leseproben befinden sich in der Obhut meines Literaturagenten. Sollten sie umgesetzt werden, wird es zu einer Expedition in ein neues (Genre-)Feld kommen.
Falls sich Lücken ergeben, werde ich wahrscheinlich ein neues Werk angehen, das ich speziell aufs Selfpublishing auslege. Ich denke an eine Science-Fiction-Geschichte mit einer aktuellen, aber (wie ich finde) sträflich selten und nie auf der Höhe der Erkenntnisse behandelten Thematik. Sie soll in kurzen Romanen (um die 350 Seiten) erzählt werden, die eine längere Serie bilden. Zunächst würde ich das im eBook ausprobieren, spätere Print-Veröffentlichungen wären nicht ausgeschlossen. Bis das zu lesen sein wird, dürfte aber noch einige Zeit ins Land gehen. Nach der Konzeption möchte ich wenigstens zwei, besser drei oder vier Romane auf Vorrat schreiben. So kann ich sowohl die Vernetzung optimal vornehmen als auch einen regelmäßigen Veröffentlichungstakt garantieren.
Es gibt zarte Planungen für Lesungen »im echten Leben«, die aber noch zu unsicher sind, als dass ich sie bereits in meinen öffentlichen Terminkalender gestellt hätte. Virtuell tut sich dafür immer mal wieder etwas.
Wer die Möglichkeit vermisst, auf Conventions signierte Exemplare von mir zu erwerben, wird in meinem Shop fündig.
Ich wünsche Ihrer Fantasie Flügel – gerade in dieser Zeit, in der unsere physische Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.
Robert Corvus – Bernard Craw