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Epistula Corvi II


Liebe Leserinnen und Leser,


die Schriftstellerei ist anstrengend.

Das gilt für den Autor selbst, denn einem wahren Ausspruch zufolge muss sich bei einem Text immer jemand quälen – entweder der Verfasser oder der Leser. Da ich weiß, dass viele Leute etwas von ihrer Zeit und ihrem Geld für meine Bücher geben, fühle ich mich verpflichtet, diese so gut zu schreiben, wie ich es vermag. Wenn Sie also von einem meiner Romane enttäuscht sein sollten, dann bin ich an den Grenzen meiner Fähigkeiten gescheitert – aber nie an meinem Einsatz. Ich stehe mitten in der Nacht auf, wenn ich eine Idee habe, wie ich eine Geschichte besser machen kann. Ich esse schlecht, ich sage Verabredungen ab, und wenn ich doch hingehe, bin ich nicht bei der Sache.

Grauwacht

Darum ist die Schriftstellerei nicht nur für den Autor anstrengend, sondern auch, vielleicht sogar mehr noch, für dessen Umfeld. Ich motiviere mich unter anderem dadurch, dass ich wütend auf mich selbst werde. Ich werfe mir dann vor, faul, einfallslos und ganz allgemein unfähig zu sein. Das kann durchaus zu so ausgeprägten inneren Streitgesprächen führen, dass ich zu der Auffassung gelange, den Beruf verfehlt zu haben und besser eine andere Karriere einschlagen solle. In der Regel geschieht das während des Schreibens an der ersten Manuskriptfassung. Bei Grauwacht war dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt, weil die Geschichte wirklich ein Problem hatte, und das war die Perspektive. Ich hatte versucht, alles aus der Sicht eines einzigen Protagonisten zu erzählen, und dessen Rolle war dafür zu schwach. Nur liegt die Schwierigkeit darin, solche Probleme zu erkennen, und das dauerte seine Zeit.

Ich schreibe vergleichsweise flott, selten weniger als 15 Seiten am Tag. Das führt aber mitnichten dazu, dass die Phasen von Euphorie und Verzweiflung während des Schreibens gelinder ausfielen oder gar komplett ausblieben – sie folgen nur schneller aufeinander, manchmal im Stundentakt. Für diejenigen, die häufig mit mir zu tun haben, ist das eine Tortur, zumal die Auslöser dieser Stimmungsschwankungen unsichtbar und nicht nachvollziehbar zwischen meinem Kopf und dem Bildschirm entstehen. An erster Stelle ist meine Freundin von diesen Wechselbädern betroffen, und da sie bei Grauwacht besonders heiß und kalt ausfielen, ist der Roman ihr gewidmet.

Am Ende ist, denke ich, doch wieder alles gut geworden. Mit voller Überzeugung kann ich sagen: Grauwacht ist so gut, wie ich eine Geschichte nur schreiben kann. Ich bin stolz darauf, dass mein Name auf dem Umschlag dieses Buchs steht. Und wenn es Ihnen Freude macht, dann ist alle Qual gerechtfertigt.

Denn die Schriftstellerei ist zwar anstrengend, aber das Lesen ist Genuss.

Was war

Seit der letzten Epistula Corvi lag der Schwerpunkt meiner Bemühungen beim Manuskript zu Drachenmahr. Um den Jahreswechsel gab es auch dabei eine heftige Verwirbelung – allerdings weniger extrem als bei Grauwacht.

Drachenmahr

Schreiben ist Handwerk, aber es ist auch Kunst. So wie ein Bildhauer mit Meißel und Stein umzugehen lernt, übt ein Schriftsteller die Regeln der Sprache ein, er trainiert die Komposition von Szenen und Kapiteln, erlernt die Statik von Figurenkonstellationen und was noch alles in Schreibratgebern steht. Er weiß irgendwann auch, wann er Regeln brechen kann und wie man das tut, ohne eine Geschichte zu zerstören.

Mit der Erfahrung der vergangenen fünfundzwanzig Jahre habe ich Drachenmahr geplant. Die Szenenfolge, die Figuren, die Schauplätze. Ich habe angefangen, zu schreiben, und arbeitete mich bis Seite 200 vor. Alles gemäß der Regeln des Handwerks, so weit ich es verstehe. Ich bin überzeugt, diese Geschichte hätte funktioniert.

Aber sie war mir fremd. Als schriebe ich den Roman eines anderen. Ich betrachtete die Figuren von außen, flog hoch über die Schauplätze hinweg.

Dann wachte ich auf, wusste, dass zwei wesentliche Handlungselemente verschmolzen werden mussten, und überarbeitete die geschriebenen 200 Seiten intensiv. Die restlichen 200 schrieben sich dann fast von allein.

Ich weiß nicht, woher der entscheidende Gedanke kam. In Ermangelung eines besseren Begriffs nehme ich an, dass er irgendwo in meinem Unterbewusstsein entstand, obwohl ich kein Psychiater bin und davon nur eine nebulöse Vorstellung habe. Aber für mich war dieser Geistesblitz die Lösung, und auch wenn die Geschichte vorher schon funktionierte, so ist sie nun doch wesentlich kompakter und klarer geworden.

Ob man diese Einschätzung im Verlag teilt, werde ich vermutlich im Februar erfahren, denn das Manuskript befindet sich nun im Vorlektorat.


Ebenfalls in der Nähe des Jahreswechsels hat ein Video auf meinem Bernard-Craw-Kanal die 3.000-Aufrufe-Marke überschritten, nämlich meine Erläuterungen dazu, was ein Schriftsteller (finanziell) verdient.

Was ist

Grauwacht bezieht Posten in den Bücherregalen. Ich habe den Roman in einigen Buchhandlungen gesehen, meine Belegexemplare sind eingetroffen und sogar die erste Rezension habe ich entdeckt.

Darin schreibt die Rezensentin Hirilvorgul, ich erzähle »in gewohnt klarem und schnörkellosem Stil, schaffe beklemmende Stimmungen, aber auch schöne Momente voller Freude und Hoffnung.« – Natürlich kann kein Buch jedem gefallen, und auch Grauwacht wird unweigerlich den ein oder anderen enttäuschen. Trotz dieses Wissens ist es sehr schön und sogar erleichternd, wenn die erste Rezension, die ich zu einem neuen Buch entdecke, so positiv ausfällt.

Nun entfaltet sich also wieder die telepathische Qualität des Schreibens: Gedanken, die ich vor einem dreiviertel Jahr hatte, nehmen jetzt Gestalt in den Köpfen von Leserinnen und Lesern in verschiedenen Städten und mit ganz unterschiedlichen Lebensumständen an. Ich bin gespannt, wie ihnen die Geschichte um eine Menschheit gefällt, die mit der Dunkelheit der Nacht wandert, während die amphibischen Sasseks den Tag beherrschen. Werden sie mit Remon fiebern, der wegen seiner Liebe die Grauwacht verließ – jene Truppe, die mit ihren übermenschlichen Fähigkeiten die Dämmerung bewacht? Wird Nata ihnen ans Herz wachsen, die sich Sorgen wegen des blauen Lichts macht, das sich seit Kurzem auf den Monden zeigt? Oder mit Ssarronn, der sich fragt, warum eben diese Farbe bei seinem Volk seit jeher verflucht ist?

Leserunden

Wer mag, kann die Geschichte gemeinsam mit anderen Leserinnen und Lesern entdecken. Das Zauberwort heißt ›Leserunde‹, und die startet am 30. Januar 2015. Plattform ist ein Internetforum. Die Moderatorin teilt den Roman in Leseabschnitte ein, die jeweils etwa 40 Seiten umfassen – das wird bis Freitag noch passieren. Man liest den Roman, und wenn man einen Abschnitt beendet hat, schreibt man dazu seine Eindrücke in das entsprechende Thema im Forum. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschen sich über das Gelesene aus und spekulieren über den Fortgang der Handlung. Ich begleite das Geschehen und stehe für Fragen an den Autor zur Verfügung. Ich weiß nicht, die wievielte Leserunde zu meinen Büchern dies ist – aber ich weiß, dass alle bisherigen ein großer Spaß waren.


Phantastisch! 57

Interviews mit mir sind in den aktuellen Ausgaben zweier Zeitschriften enthalten. In ›Phantastisch! 57‹ befragt mich Carsten Kuhr zu so ziemlich allem – von Das schwarze Auge und BattleTech über die Schattenherren und Schattenkult sowie einem Abstecher bei PERRY RHODAN bis zu einem Ausblick auf die kommenden Titel bei Piper und die Phileasson-Saga. Damit nicht genug, geht es auch um Fanveranstaltungen und meine Aktivitäten an der Peripherie des Schreibens.

Für ›Nautilus – Abenteuer und Phantastik‹ befragte mich Daniel Bauerfeld, das resultierende Interview ist in Ausgabe 131 des Magazins enthalten. Hier liegt der Schwerpunkt auf den SCHATTENHERREN und deren Umfeld, der Dark Fantasy, aber auch auf einem Vergleich zwischen dem Schreiben in einer Shared World wie Das schwarze Auge und in einem selbst erdachten Universum und den Vorteilen flotten Schreibens.

Schattenkult

Auch der letztes Jahr erschienene Roman Schattenkult hat eine gewisse Aktualität zurückerlangt, hat er es doch auf die Longlist des Buchpreises Seraph geschafft. Aus den Romanen, die die Jury nun für die Shortlist auswählt, wird einer auf der Leipziger Buchmesse im März als Bester Roman 2014 ausgezeichnet. Die Preisfigur ist sehr schön, die Verleihung stimmungsvoll und bereits die Platzierung auf der Longlist betrachte ich als Ehre.

Phileasson-Logo

Seit ein paar Tagen telefoniere ich wieder öfter mit Bernhard Hennen und tausche Mails mit ihm aus. Der Grund dafür ist unsere gemeinsame Arbeit an der Romanumsetzung der Phileasson-Saga. Wir lesen unsere Textfragmente Korrektur, diskutieren über Szenenabfolgen für die späteren Bände und führen langsam, aber sicher, unsere Manuskripte zusammen. Diese Woche wird es ein Arbeitstreffen geben. Die einzigen Schwierigkeiten, die wir bislang hatten, waren technischer Natur – da zickt eine Textverarbeitung oder eine Textversion verschwindet in den unendlichen Weiten einer Festplatte. Davon werden wir uns aber natürlich nicht stoppen lassen, und bislang haben wir auch alles wieder aufs Gleis bekommen. Wieso sollten wir Autoren auch völlig problemlos die Weltreise hinter uns bringen, an der Phileasson und Beorn so zu kämpfen haben? Entscheidend ist nur, dass wir die wesentlichen Stationen abfahren. Und da sehe ich schon in weiter Ferne, nämlich Anfang 2016, die erste Wegmarke: die Veröffentlichung des ersten Bands.

Was wird

Hiveworld

Zu Grauwacht gibt es nicht nur eine Leserunde, sondern es wird auch einige herkömmliche Lesungen geben. Premiere feiere ich wieder im Kölner Hiveworld (Mauritiussteinweg 96), und zwar am 24. Februar ab 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Das Hiveworld ist im Übrigen immer einen Besuch wert. Neben vielen Spielen gibt es dort auch fantastische Bücher, und von meinen Romanen sind dort eigentlich immer signierte Exemplare vorrätig.

LBM

Auf der Leipziger Buchmesse darf ich diesmal auf der Fantasy-Leseinsel lesen, und zwar am Samstag, 14. März 2015, um 12:00 Uhr.

Auf welchen Cons ich zu Gast sein werde, steht noch nicht fest.

Noch immer veröffentliche ich mehr oder minder wöchentlich ein Schreibzeichen-Video zum aktuellen Stand der Dinge. Zusätzlich kommen ab und zu etwas längere Videos mit Bezug zum Schreiben auf meinem Bernard-Craw-Kanal. Dabei freut es mich, dass kürzlich einige Themenwünsche eingegangen sind. Man möchte etwas über die Entstehung der Isenborn-Tetralogie erfahren, über meine Haltung zu Handwerk versus Kunst in der Schriftstellerei und über das Schreiben nach vorgegebenen Exposees. Letzteres werde ich wohl nicht bei Bernard Craw, sondern bei Robert Corvus behandeln, dort passt es besser. Jedenfalls möchte ich mich in den nächsten Wochen an diese Videos machen. Weitere Vorschläge kann man mir zum Beispiel über das kleine Formular auf meiner Homepage schicken – ob sie über Bernard Craw oder Robert Corvus kommen, spielt dabei keine Rolle.


Etwas weiter in der Zukunft liegen die nächsten Veröffentlichungen: Drachenmahr im Juli 2015, 2016 dann die Phileasson-Saga und, wie ich hoffe, weitere Fantasytitel bei Piper. Zu Letzteren bin ich im Gespräch mit dem Verlag, und es sieht nach einer neuen Trilogie aus. ›Neu‹ bedeutet in diesem Zusammenhang ein wirklich weißes Blatt: eine neue Welt, neue Figuren, eine neue Art von Geschichte.


Und PERRY RHODAN?

Ich würde in diesem Umfeld gern wieder etwas machen, das ist kein Geheimnis. Allein: Mir fehlt die Zeit, die ich investieren müsste, um dort etwas in der angemessenen Qualität beitragen zu können. Für PERRY RHODAN zu schreiben bedeutet, fit im Hintergrund zu sein und sich in der laufenden Handlung aktuell zu halten. Vielleicht kann ich das wieder leisten, wenn meine anderen Projekte in ruhigeren Bahnen laufen, und wenn man im Verlag dann noch Bedarf an einem Autor hat, ist vieles möglich. Bis dahin bleibe ich aber, was PERRY RHODAN angeht, im Winterschlaf.




Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche Ihnen allzeit schmackhaftes Lesefutter!


Robert CorvusBernard Craw


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