Eloy
Friede liegt auf ganz Eloy.
Ein bitterer Friede.
Ein böser Friede.
Ein grausamer Friede.
Der Friede des Schattenkönigs.
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Eloy Eis, Land, Wald und Meer
Eis, Land, Wald und Meer
Siehst du den Wind in den Bäumen?
Er dreht auf Ost, mein Kind.
Geh nicht hinaus in diese Nacht.
Sie gehört den Geistern.
– Eskadischer Vater –Was wir von der Welt wissen fragt Ihr mich, Junge Dame?
Eloy ist der Name des Kontinents, der unsere Heimat ist. Reist beständig nach Osten, und Ihr werdet die Küste finden, an die die Wellen des Meers der Erinnerung schlagen.
Auch im Norden werdet Ihr eine Grenze finden, doch keine aus Wasser, sondern eine aus Luft. Ein kalter Atem weht dort, der das Leben selbst gefrieren lässt. Nichts vermag dort zu
existieren außer den weißen Kristallen, die im Wind treiben.
Still! Von Ondrien soll man nur flüstern. Da das ewige Eis unbewohnt ist, gibt es keine eindeutige Grenze zum Nordschattenland, wo die Osadroi, die Schattenherren, die Menschen knechten. Ondrien ist riesig. In seinem Norden sind die Winter lang und der Schnee fällt eine Mannslänge hoch. Weiter im Süden bringt der Herbst reiche Ernten.
Jene, die Ondrien durchquert haben wollen, künden von vielen Landschaften. Darf man ihnen glauben, ist das Land der Schatten ein Reich voll dunkler Wälder und schroffer Höhen mit engen Pässen, aber auch mit weiten Ebenen. Nach Osten, dessen sind wir gewiss, wird es von den Wetterbergen begrenzt. An ihren steilen Flanken regnen die Wolken ab und speisen die Flüsse, die in diesem Gebiet in jedem Frühling über die Ufer treten.
Der Südosten Ondriens ist stark bewaldet. In den blauschwarzen Nadelwald mischen sich nach Süden hin immer mehr Laubbäume, bis diese schließlich die Herrschaft übernehmen.
Südöstlicher Nachbar Ondriens ist Amdra, das Waldland. Ja, Junge Dame, dies ist das Reich, das die Fayé unter ihren Willen zwingen. Dieses Land kennt nur wenige Straßen und Städte, dafür aber riesenhafte Bäume und reißende Flüsse.
Westlich und südlich von Ondrien und Amdra liegen die Lande der Menschen. Die Gunst der Götter liegt auf uns, das Wetter ist hier selten rau, wir erfreuen uns an Wiesen und Feldern, Seen und Auen.
Ja, das Meer der Erinnerung umspült die gesamte Ostküste Eloys. Die Gischtlande? Inseln aus Fels, von denen einige wenige genug fruchtbaren Boden für den Ackerbau bieten.
Ihr foppt mich, Junge Dame!
Natürlich wisst Ihr, was dort eingezeichnet ist. Ganz recht, der Seelennebel! Man kann ihn beruhigt mit bester Tinte markieren, seit Menschengedenken hat er seine Lage nicht verändert. Über Hunderte von Meilen erstreckt er sich, über das Meer vom höchsten Norden bis hinunter in ilyjische Gewässer, und dort schlägt er auch einen Bogen und legt sich an Land. Ich selbst war niemals dort, aber Seeleute berichten,
dass aus ihm die Schreie von Verdammten dringen, und viele wollen gequälte Gesichter in den Schwaden gesehen haben. Man flüstert, dass es sich bei diesen Erscheinungen um die zurückgelassenen, die unwürdigen Fayé handelt. Als die Götter beschlossen, dass die Fayé die Welt verlassen sollten, um sie den Menschen zu überlassen, bestiegen die meisten von ihnen eine gewaltige Flotte und segelten nach Osten.
Niemand weiß, was mit denen geschah, die ihr Ziel erreichten. Diejenigen aber, denen der Eintritt in ihre neue Heimat verwehrt wurde, wurden dazu verdammt, für alle Ewigkeit als Geister in der Nebelbank zu wachen, gequält von der Erinnerung an das Leben und der Sehnsucht nach dem Tod. So jedenfalls wollen es die Schriften wissen.
Ihr habt recht, genau deswegen gilt in ganz Eloy der Ostwind als Unglücksbote. Vor allem an der Küste fürchtet man, es könne den Geistern gelingen, auf ihm reitend dem Seelennebel zu entkommen, um die Lebenden heimzusuchen.
Doch nun richtet Euren Blick empor, es ist eine so klare Nacht!
Drei Monde ziehen über den Himmel Eloys. Silion, der größte, ist von mattsilberner Farbe. Stygron ist schon deutlich kleiner. Wisst Ihr, dass es als Omen für Blutvergießen gilt, wenn er sein rotes Licht aus vollem Rund auf die Welt gießt? Und der kleinste Mond, das ist Vejata. Achtet ihn nicht gering, sein blasses Blau steht der Kraft des Lichts nicht nach, das seine Geschwister Eloy schenken.
Dies ist unsere Welt, Junge Dame, und Ihr tut recht daran, hinauszuziehen und sie zu erkunden. Nur von Ondrien haltet Euch fern, ich bitte Euch. Folgt niemals dem Ruf der Schatten. Niemals den Schatten.
Abhandlung über die Geografie in Eloy
Eloy Eis, Land, Wald und Meer
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Eloy Wissen und Weisheit
Wissen und Weisheit
Die Götter schufen die Welt nach ihrem Willen.
Sie ist wie ein Buch, in das sie ihre Wünsche geschrieben haben.
Sie lächeln, wenn wir darin lesen.
– Milirischer Priester –Seid ohne Sorge, Junge Dame. Ihr könnt nichts Unrechtes tun, wenn Ihr beobachtet, nachdenkt und forscht. Es ist der Wunsch der Götter, dass Ihr so handeln mögt. Sie gaben dem Herzen des Menschen ein, nach dem Wissen zu streben und sein Erkennen bis an jene Grenze zu schieben, die sie uns zu unserem eigenen Wohl gesetzt haben.
Ihr wollt diese Grenze ertasten?
Das ist leicht. Füllt einen Kessel mit Wasser, hängt ihn über ein Feuer. Rasch wird das Wasser zu Dampf und steigt auf.
Legt einen Deckel auf den Topf. Ihr seht, dass der Dampf nach oben strebt und schließlich den Deckel anheben wird. Das liegt nicht nur daran, dass er himmelwärts aufsteigt, sondern auch an dem Umstand, dass er nach mehr Platz verlangt als das Wasser, aus dem er entstand.
Nun beschwert den Deckel mit Steinen. Es dauert länger, bis der Dampf ihn hebt, aber es geschieht noch immer.
Die Gelehrten in ihren Stuben haben Vorrichtungen, in denen sie einen Deckel so fest mit dem Kessel verschrauben können, dass der Dampf ihn nicht mehr anzuheben vermag. Nach allem, was wir wissen und beobachten, müsste sich im Innern des Behältnisses eine Kraft großer Gewalt sammeln. So groß, dass sie den Deckel schließlich mit
einer Wucht davonschleudern müsste, die der eines Wurfgeschosses gleich käme.
Doch das geschieht nicht.
Der Kessel wird rumpeln und wackeln unter dem Ansturm der Kraft in ihm, und dann wird er ganz plötzlich still hängen. So ist der Wille der Götter. Wenn Ihr ihn öffnet, wird das Wasser verschwunden sein, und mit ihm auch der Dampf.
Dies widerspricht der logischen Fortführung dessen, was wir zuvor beobachteten. Zu unserem eigenen Wohl, denn welche schrecklichen Waffen ließen sich sonst von grausamen Hirnen ersinnen? Manche meinen, noch Fürchterlicheres müsse sich erreichen lassen, entzündete man eine Mischung aus Schwefel und Salpeter. Wir werden es nie erfahren, denn solches Pulver brennt nicht besser als nasses Leinen, was so manchen Gelehrten verwundert.
So jedenfalls ziehen die Krieger mit Axt, Lanze, Schwert und Bogen in die Schlacht, und auch die klügsten Köpfe ersinnen nichts Verderblicheres als eine Armbrust oder ein Katapult. Wer es sich leisten kann, panzert sich in Eisen, doch der gewöhnliche Kämpfer dient seinem Fürsten in einer Lederrüstung.
Der schnellste Reisende ist jener, der es versteht, ein Pferd im Gelände scharf zu reiten und der die Gelegenheit hat, sein Tier mehrmals am Tag zu wechseln.
Schwere Lasten dagegen transportiert man auf einem Ochsenkarren, den man zu Fuß begleiten kann, ohne allzu hurtig auszuschreiten. In Ondrien sind Schlitten häufig gesehen, in anderen Ländern reist der Adel in Kutschen. Der Seemann vertraut auf die Gnade der Götter, die gute Winde zu senden vermögen, oder auf die Muskeln seiner Besatzung, die die Ruder einer Galeere durch die Wellen ziehen.
Himmlische Wesen gewähren den Priestern Einsichten, die durch die Beobachtung der Natur nur mühsam zu erlangen gewesen wären. Geht in die Bibliothek und studiert den Atlas des Aderngeflechts im menschlichen Corpus oder Die sieben segensreichen Methoden, Felder zu wässern.
Manch einem Kranken bliebe ohne dieses Wissen die Heilung verwehrt, Junge Dame, und mancher Herbst wäre ohne Ernte. Auch dass überhaupt so viele Menschen lesen und schreiben können, sollten wir nicht als selbstverständlich erachten. Nur im barbarischen Bron verachtet der Adel die Bildung, und hier bei uns können selbst die Tagelöhner nachrechnen, ob ihr Dienstherr ihnen den ausgemachten Sold in die schwieligen Hände zählt.
Ja, richtet den Blick zum Himmel. Es sind die Sterne, deren Zug die Zeitalter prägt, und die drei Monde bestimmen unsere Nächte so stark wie die Sonne unsere Tage. Wenn sich alle drei Monde in vollem Licht treffen, ziehen sie mit großer Kraft Erde und Wasser zu sich. Dann gibt es oft Erdbeben und Springfluten. Noch stärker ist dieser Effekt, wenn sie gleichzeitig im Neumond stehen.
Seid Ihr nicht zu jung für Fragen nach der dunklen Kunst? Heute mag ich sie Euch nicht beantworten, Junge Dame. Aber ja, es stimmt. Je heller die Monde ihr Licht auf die Welt gießen, desto stärker dämpfen sie die Magie. Diejenigen unter den Menschen, die nicht nur wissend, sondern auch weise sind, teilen ihren Widerwillen gegen die finstere Kunst, und auch Ihr solltet ihn Euch zu Eigen machen, denn dies ist der größte Segen der drei Monde.
Abhandlung über die Wissenschaften in Eloy
Eloy Wissen und Weisheit
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Eloy Magie, Wunder und die drei Monde
Magie, Wunder und die Kraft der drei Monde
Ihre Götter können große Dinge tun.
Sie machen Felder fruchtbar, die zuvor öde waren.
Sie heilen Kranke und schützen die Geburt.
Aber in dieser Welt misst man Macht nicht daran,
ob es einem gegeben ist,
zu erschaffen, sondern daran,
ob man zu zerstören vermag.
– Elien Vitan, Schattenkönig von Ondrien –Ja, es ist wahr, Junge Dame, alle Magie geht vom Leben aus. Um sie wirken zu können, muss der Zauberer Lebenskraft geben. Ein menschlicher Magier wird daher geschwächt, wenn er zaubert. Es kann vorkommen, dass er bei der Ausübung eines Rituals so angestrengt wird, dass er in Ohnmacht fällt. Man hat auch schon von großen Zaubern gehört, deren Preis das Leben des Zauberers ist.
Die Fayé haben einen anderen, dunkleren Pfad beschritten, um Magie zu wirken. Sie rufen Dämonen an, deren arkane Kräfte sie sich dienstbar machen. Um solchen Wesenheiten den Eintritt in die Welt der Sterblichen zu ermöglichen, ist wiederum Lebenskraft erforderlich. Diese wird durch Opferungen, vorzugsweise durch Menschenopfer, freigesetzt.
Die Lebenskraft von Menschen scheint der Magie besonders förderlich zu sein, vielleicht, weil die Götter uns dieses Zeitalter zugedacht hatten.
Die mächtigsten Magier, da habt Ihr recht, sind die Osadroi, die Schattenherren. Viele von ihnen sind uralt und konnten die dunklen Künste über Jahrzehnte und Jahrhunderte studieren um sich Wissen anzueignen, das nie für Sterbliche gedacht war.
Zudem ziehen sie die für ihre Rituale notwendige Lebenskraft aus ihren Opfern. Wir wissen nicht, wie genau dies geschieht. Die Mondschwerter glauben, dass sich die Osadroi von den Gefühlen der Menschen nähren, und hier gibt es wohl auch einen Zusammenhang zu der Kraft ihrer Zauber. Dabei scheint nebensächlich, ob es sich um panische Angst oder bedingungslose Liebe, um Ekstase oder Agonie handelt.
Deswegen üben sich die Paladine darin, ihre Emotionen zu dämpfen, gleich, um welche Gefühle es sich dabei handelt.
Die Osadroi können vom Geist eines Menschen Besitz ergreifen und seine Emotionen anfachen. Ich selbst war, den Göttern sei Dank, niemals bei einem solchen Vorgang zugegen, aber man sagt, dass die Gefühle, nach denen ein Osadro verlangt, einen Menschen verlassen und dann sichtbare Form annehmen, wie Nebel oder Schatten.
Vielleicht nennen wir sie auch deswegen so, Schattenherren, nicht nur wegen ihrer Verbindung zur Finsternis. Wenn die Osadroi große Magie wirken, so sagt man, versammeln sie Menschen um sich, deren Emotionen sie über die Schatten trinken. Diese Lebenskraft nährt ihren Zauber, sodass sie mit fremdem Leben zahlen, nicht mir ihrem eigenen.
Ihr erkennt, Junge Dame: Es ist weise, sich von Magie fernzuhalten, vor allem von der besonders verderbten Art, die die Schattenherren wirken.
Sucht stets das Mondlicht, es schwächt die Kraft der Magie. Wenn alle drei Monde voll am Himmel stehen, kommen die zauberischen Kräfte zum Erliegen, stehen sie alle im Neumond, sind sie entfesselt. Dichte Wolken können die dämpfende Wirkung des Mondlichts abmildern,
eine Abschirmung des Zaubernden durch Höhlen oder Gebäude jedoch nicht. Auf die Osadroi wirken die von den Monden hervorgerufenen Gezeiten der Magie stärker als auf menschliche Magier. Man raunt davon, dass die Macht der Schattenherzöge in Nächten dreifachen Neumonds göttergleich sei, während sie bei Tripelvollmonden in eine Starre fallen, noch tiefer als bei Tage.
Während die Osadroi und die Fayé von den Göttern verstoßen wurden, gewähren diese Wesenheiten uns Menschen ihre Gunst. Dies äußert sich in Gnadengaben und Wundern, die sie durch ihre Priesterschaften wirken. Im Gegensatz zur zerstörerischen Schattenmagie haben diese Wunder immer einen aufbauenden, einen schöpferischen Charakter – sie heilen, lassen wachsen, bringen Licht und Wärme.
Und so lautet mein Rat, Junge Dame: Flieht die Magier, aber begebt Euch in einen Tempel, wenn Sorgen Euer junges Herz umschließen.
Abhandlung über Magie und Wunder in Eloy.
Eloy Magie, Wunder und die Kraft der drei Monde
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Eloy Alte, Junge, Frevler und Zurückgewiesene
Die Alten, die Jungen, die Frevler und die Zurückgewiesenen
Wir wurden alle betrogen.
– Askalor, Großhäuptling von Bron –Einstmals, das bestreitet niemand, gehörte die Welt den Fayé. Sie waren ein feinsinniges, ein schönes und lichtes Volk, das große Kunstwerke schuf. O Junge Dame, man sagt, wer eines ihrer Lieder erlauschte, dessen Herz vergoss genug Tränen, um einen See zu füllen. Dann aber drehte sich das Rad des Schicksals weiter. Das den Menschen bestimmte Äon brach an und die Götter sandten ihre Boten, um den Fayé den Weg nach Osten, über das Meer,
zu weisen. Das alte Volk baute eine große Flotte und stach in See.
Aber nicht alle schlossen sich an. Einige Fayé weigerten sich und rebellierten gegen den Willen der Götter. Sie sahen die zauberhaften Städte und all den anderen Glanz, den ihr Volk geschaffen hatte. Sie fragten, ob dies alles denn nicht ihr Verdienst sei und mit welchem Recht die Götter sie nun vertrieben? Diese Fayé blieben zurück.
Die Rache der Götter war fürchterlich. Sie schlugen die Rebellen mit einem Fluch. Dadurch wandelten sich die Fayé zu finsteren Kreaturen, die einen nicht enden wollenden Schmerz in sich fühlen. Aus diesem Schmerz erwächst ein Hass, der sich auf alle erstreckt, die nicht ihr Schicksal teilen.
Fayé sind hochgewachsen, schlank und von einer fremdartigen Schönheit. Sie haben spitze Ohren, die sich so weit ziehen, dass sie sich
beinahe am Hinterkopf treffen, und Augen, die ihre Verwandtschaft zur Geisterwelt bezeugen, denn Pupille und Iris sucht man in den farbigen Nebeln vergeblich. An jedem Arm haben sie zwei Gelenke, an jeder Hand sechs Finger. Sie altern nicht und können nur durch Gewaltakte sterben. Einzige Ausnahme ist die Leere, eine große Niedergeschlagenheit, die einige Fayé befällt und die oft tödlich endet. Der Erkrankte erkennt keinen Sinn mehr im Leben,
bricht den Kontakt zu Freunden und Verwandten ab und geht in den Wald, um dort auf den Tod zu warten.
Was aus den Fayé wurde, die dem Ruf der Götter folgten und die Lichten Gestade erreichten, wissen wir nicht. Doch es gab auch einige, die sich auf den Weg machten und dann von den Göttern für unwürdig befunden wurden. Ja, Ihr habt es erraten. Die Gequälten des Seelennebels, der seit Jahrtausenden unbewegt über dem Meer der Erinnerung
liegt und jedem den Wahnsinn bringt, der sich ihm zu sehr naht.
Die menschlichen Völker in Eloy sind vielfältig. Sie reichen von den riesenhaften Barbaren Brons bis zu dem zierlich gebauten, kultivierten Volk, das Eskad bewohnt. Uns Menschen sollte nach dem Willen der Götter die Welt gehören. Aber dazu kam es nicht.
Ja, ich wusste, dass Ihr nach Ihnen fragen würdet, Junge Dame. Die Osadroi,
die Schattenherren, sind aus den Menschen hervorgegangen. Von ihnen steht nichts in den Schriften der Götter.
Niemand weiß genau, wie sie entstanden sind, aber die meisten Gelehrten vermuten, dass ein vermessener Mensch etwas entdeckte, das nicht für ihn bestimmt war. Andere munkeln vom Einfluss unaussprechlicher Wesenheiten, die aus der kalten Schwärze zwischen den Sternen herabstiegen. Auch eine widernatürliche Verbindung
zwischen Menschen und Fayé könnte am Beginn der Osadroi stehen, da sie Eigenschaften beider Spezies aufweisen.
Nach allem, was wir wissen, können Menschen mittels eines langwierigen und sehr blutigen Rituals in Osadroi umgewandelt werden. Dabei stirbt der Mensch zunächst, um dann zu einem untoten Nachleben zu erwachen. Von diesem Zeitpunkt an altert er nicht mehr. Der verwandelte Körper erscheint blass und fühlt sich kalt an.
Viele Osadroi haben eine morbide, erotische Ausstrahlung, vor der Ihr Euch hüten müsst! Sie nutzen sie, um Eure Gefühle zu wecken und nach Eurem Leben zu greifen. Manche Menschen verfallen einem Schattenherrn auf ewig. Seid nicht zu sicher, dass jede Nebelschwade, die nächtens durch die Luft treibt, nur harmlose Feuchtigkeit ist. Ich glaube, manchmal ist es die Lebenskraft eines Unglücklichen auf dem Weg zu einem fernen Meister.
Die Osadroi sind beinahe unüberwindliche Gegner. An ihnen vergeht eine Schwertwunde rascher als bei Euch ein Kratzer. Nur mit Silber geschlagene Verletzungen können sie nicht ausheilen, weswegen die Paladine der Mondschwerter aus Ilyjia für ihre Waffen dieses Metall verwenden, nachdem sie es mit dem Segen der Mondmutter härten.
Je älter ein Osadro wird, umso mehr unnatürliche Kräfte entwickelt er. Es ist im Einzelfall schwer zu unterscheiden, ob der Ursprung dieser Fähigkeiten in der Unnatur des gewandelten Körpers oder in angeeigneten magischen Fertigkeiten zu suchen ist, zumal auch diese Kräfte in ihrer Stärke den Mondzyklen unterworfen sind.
Ich sehe die Neugier in Euren Augen, Junge Dame, und ich bitte Euch: Bezähmt sie! Strebt nicht danach, einem Schattenherrn zu begegnen. Schätzt Euch glücklich, wenn Ihr eines fernen Tages auf einem Sterbelager sagen könnt, Euer Auge sei niemals durch den Anblick eines von allen Göttern Verfluchten in Versuchung geführt worden.
Abhandlung über die Völker Eloys.
Eloy Alte, Junge, Frevler und Zurückgewiesene
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Eloy Macht und Herrschaft
Macht und Herrschaft
Niemand von uns will ewig leben.
Wen es nach Unsterblichkeit dürstet,
der kämpft auf der Seite des Feindes.
– Oskad, Ordensmarschall der Mondschwerter –Ihr habt davon gehört, Junge Dame: Auf den Bergen Ondriens, des Nordschattenlandes, thronen die Burgen der Osadroi. Ihr Meister ist Elien Vitan, der Schattenkönig, der zurückgezogen im Herzen des Reichs lebt. Sein Stammland ist von den Marken der Schattenherzöge umgeben, die ihm die Treue geschworen haben. Die überwiegende Zahl der Bevölkerung besteht aus Menschen,
deren Status von Herzogtum zu Herzogtum schwankt, aber immer tief unter dem der unsterblichen Osadroi liegt, von denen sie geknechtet werden und denen ihre Gefühle als Nahrung dienen. Je nach Vorliebe des Osadro lebt das Volk in panischer Furcht oder in fanatischer Hingabe; in jedem Fall ist es seinem Schattenherrn durch starke Emotionen verbunden.
Die Osadroi sind von allen Göttern verflucht. Dennoch gibt es in ihrem Land Tempel, sogar Kathedralen, finstere Bauwerke, denn sie gehören alle dem Kult. Der Kult verehrt keine Gottheiten, sondern an ihrer Statt die Osadroi mit ihrem Schattenkönig an der Spitze. Eine menschliche Priesterschaft lehrt das Volk den Gehorsam gegenüber seinen grausamen Herren und stachelt seine Gefühle auf. Als höchstes erreichbares Glück wird den Gläubigen
die Wandlung zum Osadro gelehrt, durch die sie unsterblich werden können. Der Kult ist die einzige Religion Ondriens. Jeder Mensch, der eine einflussreiche Position innehat, etwa als Schulze oder Feldherr, wird von der Priesterschaft auf seine Rechtgläubigkeit hin überprüft. Würdet Ihr in Ondrien den Stiergott auch nur mit einem flüchtigen Vers ehren, Junge Dame, Ihr müsstet einer harten Strafe ins Auge blicken.
Die Umwandlung eines Menschen in einen Osadro geschieht selten und bedarf des Einverständnisses eines Schattenherzogs. Nach dem, was wir wissen, scheint wahrscheinlich, dass in dem langwierigen Ritual die Brust des Erwählten geöffnet wird. Nach erfolgter Wiederbelebung wird das Herz entnommen und zur Burg des Schattenkönigs geschickt. Dadurch hat jeder Osadro eine Narbe unter dem Brustkorb.
Zudem kann sich der Schattenkönig der Loyalität seiner Art sicher sein, da die Zerstörung des Herzens seinen Besitzer auf der Stelle töten würde.
Neben den menschlichen Dienern gebieten die Osadroi über weitere, weitaus finsterere Sklaven. Viele davon sind mit Hilfe der Schattenmagie geschaffen worden. Besonders häufig sind Ghoule, wiederbelebte Leichen, die sich von Aas ernähren
und ihren Herren willenlos folgen. Sie sind jedoch tumb und eignen sich nur für einfache Aufgaben. Besonders beim Bewegen von Lasten sind sie wegen ihrer großen Körperkräfte nützlich.
Ob im ewigen Eis wirklich die Burg der Alten existiert, darf bezweifelt werden. In ihr sollen diejenigen Schattenkönige schlafen, die ihrer Erweckung harren. Sicher ist nur, dass kein Sterblicher jemals von diesem Ort zurückgekehrt ist.
Im Nachtschattenwald mit seinen riesigen Bäumen, südöstlich von Ondrien, herrschen die unsterblichen Fayé über ihr Reich Amdra. Sie schätzen es nicht, wenn jemand unter die Kronen der Bäume tritt. Wenig ist von ihnen bekannt, außer dass sie ein schwindendes Volk sind, das seine Nähe zum Nebelland nutzt, um dämonischen Kreaturen den Weg in die Welt des Greifbaren zu zeigen. Hoffen wir, dass ihre Ziele den unseren so fremd sind,
dass Ihr niemals Kontakt zu ihnen bekommen werdet, Junge Dame.
Ondriens größter Gegner ist Ilyjia, eine Theokratie, deren Ordensritter geschworen haben, die Untoten zu vernichten. Auch Ilyjia ist jedoch in sich uneins. Zum einen ist da das Königshaus, das die Macht nominell in Händen hält, aber von leichtlebigen Monarchen regiert wird, die der Politik nichts abgewinnen können. Dann ist da der Tempel der Mondmutter,
eine Religion, der fünf weise Frauen vorstehen. Ihre Priesterinnen sind in den Heilkünsten bewandert und segnen die Felder. Ursprünglich nur als Schutz für die Priesterinnen gestiftet wurde der Orden der Mondschwerter. Daraus hat sich eine Gemeinschaft von Paladinen gebildet, die eine erhebliche militärische Macht darstellen. Sie wollen die Welt für die Menschen erobern, als deren Hauptgegner sie die Osadroi erkannt haben.
Warum Euer Vater so schlecht von ihnen spricht, Junge Dame?
Nun, man muss einräumen: Sie sind in der Wahl ihrer Methoden nicht zimperlich und setzen ihre Macht rücksichtslos für die Sache ein, der sie ihr Leben verschrieben haben – auch über die Grenzen Ilyjias hinaus. Und man mag sie als kalt empfinden. Sie können ihre Emotionen durch meditative Übungen unterdrücken, was sie in gewissem Maße vor den Manipulationen der Osadroi
schützt, sie aber zugleich herzlos erscheinen lassen kann.
Im Spiel um die Macht ist die Täuschung eine Waffe, die jeder zu führen versteht. Darum bildet Euer Urteil nicht zu schnell, Junge Dame. Wer Euch lächelnd umarmt, will Euch vielleicht ein Messer in den Rücken stoßen.
Abhandlung über die Politik in Eloy.
Eloy Macht und Herrschaft
- Eis, Land, Wald und Meer
- Wissen und Weisheit
- Magie, Wunder und die Kraft der drei Monde
- Die Alten, die Jungen, die Frevler und die Zurückgewiesenen
- Macht und Herrschaft
Die Karte zeichnete Timo Kümmel.
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